Auf allen Weltmeeren und Häfen der Welt werden zur Weihnachtszeit
an den Mastspitzen der norwegischen Schiffe Weihnachtsbäume angebracht.
Wie in jedem norwegischen Haushalt, so wird auch an Bord norwegischer
Schiffe Weihnachten "auf norwegisch" gefeiert. Diese Weihnachtsfeier
unterscheiden sich ein wenig von anderen Nationen, jedoch ist der Unterschied
heute nicht mehr so groß wie noch vor nur wenigen Jahren.
Ansonsten gibt es die gleichen hektischen Weihnachtsvorbereitungen,
wundervoll geschmückte Weihnachtsbäume auf öffentlichen
Plätzen, Straßen, die mit Girlanden und Lichterketten behängt
sind und phantasievoll dekorierte Schaufenster. Und wie auch in den
anderen Großstädten, so träumt auch hier mach einer
von Weihnachtsfesten früherer Zeiten. In Norwegen gibt es das alte
Weihnachten aber noch!
Schon im November laden Restaurants zum "Julbord", dem Weihnachtsbuffet,
ein und viele Firmen feiern mit ihren Angestellten das "kleine
Weihnachten". Auf dem Land beginnen die Vorbereitungen für
das Weihnachtsfest oft schon mehrere Wochen vorher. Das sogenannte "Juleøl",
das Weihnachtsbier, wird gebraut und es wird viel gebacken. Am Duft
exotischer Gewürze und an aromatischen Backdünsten ist zu
erkennen, dass es weihnachtet. Ohne Pfefferkuchen, Schmalzkränzchen,
Hörnchen und anderem Traditionsgebäck ist es eben nicht "Jul".
Sieben Sorten Kekse müssen es sein und die meisten Leute halten
sich auch dran. Auch der "Julekaker", der Christstollen, ein
süßes Weihnachtsbrot mit Rosinen, Zitronat, Nüssen und
Kardamom darf nicht fehlen. Je näher Weihnachten heranrückt,
desto größer wird die Spannung.
Zum Weihnachtsrummel gehört auch das Großreinemachen des
Hauses und das Holzhacken., denn das Feuer darf während der Weihnachtstage
nicht ausgehen. Und natürlich wird ein besonders schöner Weihnachtsbaum
aus dem Wald geholt. Diesen Weg konnte sich der Urgroßvater früher
sparen, denn der Weihnachtsbaumbrauch kam erst in der zweiten Hälfte
des 19. Jhdts. aus Deutschland nach Norwegen, in die Landgebiete sogar
noch später.
Am Weihnachtsvorabend wird hinter verschlossenen Türen der Baum
von den Eltern geschmückt, und man vergisst auch nicht, dem "Nisse",
so einer Art Heinzelmännchen, eine Schüssel Brei in die Scheune
zu bringen. Er gilt als Beschützer des Hauses. Wer weiß schon,
ob es den kleinen Kerl nicht wirklich gibt? Aber auch der anderen Tiere
gedenkt man: Das "Julenek", eine Garbe Hafer wird für
die Vögel an einen Pfahl gesteckt, und die Tiere des Hofes bekommen
eine Extraration. Am Nachmittag läuten die Kirchenglocken die Weihnachtszeit
ein. Wenn die Glocken verstummen, senkt sich der Weihnachtsfriede über
Höfe und Dörfer. Hell erleuchtete Fenster senden ihr freundliches
Licht in den dunklen Winternachmittag .
Die eigentliche Weihnachtsfeier beginnt meist mit dem Vorlesen dem Weihnachtsevangeliums.
Manch einer hat noch eine alte Familienbibel, wo auf den ersten Seiten
Geburten und Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten und Sterbefälle
von vielen Generationen eingetragen sind. Danach versammelt sich die
Familie zum traditionellen Weihnachtsessen.
Essen ist ein wichtiger Teil der Feiertage. Mitten am Tag gibt es zur
Stärkung erst mal Reisbrei, worin eine Mandel versteckt ist. Wer
sie findet, bekommt ein Marzipanschweinchen. Man tat das ursprünglich,
um die Wartezeit für die Kinder abzukürzen. Als kulinarische
Höhepunkte werden dann aufgetischt: an der Küste Dorsch, Heilbutt
oder Laugenfisch, in Ostnorwegen feine gegrillte Schweinerippchen, die
man leider nur an Weihnachten erhält, dabei schmecken sie so gut,
weiterhin Fleischklößchen und Schweinekochwurst und in Westnorwegen
stehen gepökelte Lammrippchen, der Kronenbraten und ein riesiger
Schinken auf dem Tisch. Dazu kommen unzählige verschiedene Aufläufe
und auch die eingelegten Heringe in vielen Varianten fehlen auf keinem
Tisch. Als Dessert lässt man sich dann eine sahnige Reiscreme mit
rotem Fruchtsaft und zuletzt einen Aquavit schmecken. Nach all dem fetten
Essen braucht man den dann allerdings zu medizinischen Zwecken.
Doch die Kinder haben nicht viel Freude am Essen. Ungeduldig richten
sich ihre Augen sind auf die geschlossene Wohnzimmertür. Sie können
es kaum noch erwarten, bis die Erwachsenen fertig sind. Endlich kommt
der ersehnte Augenblick und die Tür wird geöffnet! Die Kinder
stürzen aufgeregt hinein, überwältigt vom Anblick des
Tannenbaums im strahlenden Schimmer der Kerzen und den sorgfältig
verpackten Geschenken darunter. Es folgt die alte norwegische Sitte,
der "Rundgang um den Tannenbaum". Man fasst einander an den
Händen, bildet einen Kreis um den Baum, tanzt gemeinsam darum herum
und singt Weihnachtslieder. Sollte der Kreis zu klein sein, werden Puppen
und Teddybären in den Kreis mit aufgenommen. Danach werden endlich
die Geschenke verteilt. Der Rest des Abends wird mit Gesellschaftsspielen
und dergleichen verbracht, und man lässt sich Kuchen und andere
Leckereien schmecken.
Früh am Morgen des ersten Weihnachtstages geht die Familie zur
Kirche. In manchen Gegenden fährt man immer noch mit Pferd und
Schlitten dorthin, und das Klingeln der Schlittenglöckchen ist
weithin zu hören. Früher gab es einen Frühgottesdienst,
dem dann zu Hause ein Brunch folgte. Heute wird der Gottesdienst meist
erst im Laufe des Vormittags abgehalten, im Anschluss daran gibt es
ein üppiges Mittagessen.
Die Kirchen in den einzelnen Dörfern sind die selben kleinen Holzkirchen
geblieben, die der Gemeinde schon im Mittelalter gedient haben. Wer
genauer hinsieht, findet vielleicht auf den im Laufe der Zeit dunkel
gewordenen Wänden noch eine alte Runeninschrift, alte Bilder und
Holzschnitzereien.
Der Weihnachtsabend und der erste Weihnachtstag bilden nur den Anfang
einer Festzeit, die bis zu den Heiligen Drei Königen am 6.Januar
dauert, in manchen Gegenden sogar bis zum 13. Januar, Tag des Heiligen
Knut.
Weihnachten ist eine Zeit, in der man die Geselligkeit pflegt. überall
strömt warmes Licht aus den offenen Türen, Gäste werden
willkommen geheißen, alte Gesellschaftsspiele werden hervorgeholt
und niemand denkt an die Schlafenszeit der Kinder. Diese dürfen
sich verkleiden und von Hof zu Hof ziehen, wo man sie überall mit
Kuchen und anderen Leckerbissen bewirtet. Diese Sitte nennt man "Julebukk
gehen". Man kennt ihren Ursprung nicht, die Historiker glauben,
dass es aus dem Mittelalter stammt.
Die meisten Norweger nehmen die alten Weihnachtsbräuche als selbstverständlich
hin. Sie wissen oft gar nicht, dass diese Sitten flüchtige Einblicke
in die Lebensweise und den Glauben ihrer Vorfahren gewährt, in
heidnischen Kult und alte christliche Traditionen. Der immergrüne
Weihnachtsbaum vermittelt die Idee des Wachstums und des Lebens, trotz
Winter und Dunkelheit, und ist Ausdruck sowohl heidnischer als auch
christlicher Symbole. Den Mistelzweig übernahmen wir von den Kelten,
den Christdorn von den Sachsen und die Sitte, sich zu beschenken, kannten
schon die Germanen. Viele der alten Weihnachtsbräuche gehen auf
heidnische Opferfeste zurück. Das Julfest, die Wintersonnenwende,
war ein Bittopfer an die Götter. Es wurde um Segen für Haus
und Hof und um Fruchtbarkeit gebeten. Das Julfest traf etwa mit dem
christlichen Weihnachtsfest zusammen. Hakon der Gute ließ die
beiden Feste zusammenlegen und erließ ein Gesetz, dass jeder Familienvater
40 Kannen Bier brauen müsse und das Fest solange zu dauern habe,
wie noch Bier in den Kannen sei. Weshalb so viel Bier? Nun, Hakon war
Heide und für jeden Germanen war es oberste religiöse Pflicht,
Odin zu ehren. Aus Mangel an Met wurden eben Biergelage abgehalten.
Häufig wurden dabei innerhalb der Familien und unter Freunden Julgeschenke
ausgetauscht, die Reichen belohnten ihre Gefolgsleute für treue
Dienste, und auch die Christen übernahmen bald diese Sitte.
Im Laufe der Jahrhunderte verflochten sich Heidnisches und Christliches
recht eng miteinander und heute denkt kaum jemand daran, dass es eigentlich
die Heiden waren, die uns das viele Feiern erst gelehrt haben.
von Krischa aus Finnland